Ein vierwöchiger Leidensweg an der bulgarisch-türkischen Grenze – 69 verendete Rinder, zermürbte Tiere und ein System, das versagt. Was als genehmigter Transport begann, endete in einem Skandal, der Behörden und Politik gleichermaßen bloßstellt.
Das Veterinäramt sieht sich in der Pflicht, doch Kritiker werfen ihm Untätigkeit vor. Parallel laufen Strafverfahren von Tierschutzorganisationen. Die Frage bleibt: Wer trägt die Verantwortung für dieses Tierleid?
Die ZDF-Dokumentation enthüllt erschütternde Details. Fast 50% solcher Transporte scheitern – trotz behördlicher Genehmigung. Ein Weckruf oder nur ein Einzelfall?
Der Vorfall: Wochenlanges Leiden an der bulgarisch-türkischen Grenze
Was als routinemäßiger Transport begann, entwickelte sich zu einer Tragödie. 29 Tage lang festsitzende Lkw, dehydrierte Tiere und ein System, das versagte. Die Ereignisse an der bulgarisch-türkischen Grenze offenbarten gravierende Mängel.
Die Fakten: 69 Rinder sterben qualvoll
Die Chronologie des Dramas:
- 17. Oktober 2024: Abfertigung in Brandenburg – laut Behörden „ordnungsgemäß“.
- 22. Oktober: Blockade an der Grenze wegen Blauzungenkrankheit im Herkunftsgebiet.
- 15. November: Notschlachtung der überlebenden Kühe – nur wenige erreichten den Schlachthof.
Pathologische Befunde zeigten: Dehydrierung, Stressschäden und extreme Hitze in den Transportern. Temperaturen bis 40°C machten die Lkw zur Todesfalle.
Ereignis | Konsequenz |
---|---|
13 Kälbergeburten | Jungtiere starben in kotverschmierten Boxen |
EU-Rücktransportverbot | Keine Umkehr trotz Seuchenverdacht |
Undercover-Videos | Beweise für systematische Verstöße |
Die Rolle der Blauzungenkrankheit
Der BTV-Ausbruch in Brandenburg wurde zum Todesurteil. Türkische Behörden verweigerten die Einreise, die EU verbot die Rückkehr. Eine fatale Falle für die Tiere.
„Die Blauzungenkrankheit war nur der Auslöser – das eigentliche Problem sind die Transportbedingungen.“
Die Entdeckung durch Tierschutzorganisationen
Die Gruppe Animals› Angels dokumentierte das Leiden. Ihre Videos zeigen:
- Kotbedeckte Flächen, in denen Kühe knöcheltief standen.
- Völlig erschöpfte Tiere ohne ausreichend Wasser.
- Zwei Transporter, die trotzdem problemlos passierten – ein Rätsel.
Mehr Details zu den Hintergründen finden Sie im Bericht des rbb.
Rinderexport in die Türkei: Rechtliche und politische Hintergründe
Hinter den Kulissen offenbaren sich komplexe Verstrickungen. Behörden standen vor einem Dilemma: Formal korrekte Genehmigungen kollidierten mit tierschutzrechtlichen Bedenken.
Die fragwürdige Genehmigungspraxis
Das Veterinäramt Elbe-Elster berief sich auf §12 Tiererzeugnisse-Handelsverordnung. Intern gab es jedoch Warnungen. Ein Rechtsgutachten des Landkreises bestätigte: Bei formaler Konformität bestand Genehmigungszwang.
Prof. Brade, Tierrechtsexperte, urteilt: «Trächtigkeitsregularien wurden systematisch umgangen.» Die Abfertigung erfolgte trotz bekannter Risiken.
Der EU-Türkei-Konflikt
Hintergrund war ein Handelsstreit um Milchprodukte. Die Türkei verhängte erst am 22.11. ein Importverbot – zu spät für die Tiere. Das EU-Türkei-Veterinärabkommen von 2019 sah eigentlich Schutzmechanismen vor.
Partei | Position |
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EU-Kommission | Verweis auf Verordnung (EG) Nr. 1/2005 |
Türkische Behörden | Seuchenschutz als Begründung |
Diplomatische Sackgassen
Dr. Katharina Kluge vom Bundesamt für Verbraucherschutz scheiterte mit Interventionen. E-Mails zwischen dem Landkreis und dem türkischen Landwirtschaftsministerium zeigen verhärtete Fronten.
«Wir konnten von keiner Seite eine tragfähige Lösung erwarten.»
Ein internes Protokoll vom 19.10. belegt: Alle Beteiligten gingen von einer schnellen Lösung aus. Doch der Transport entwickelte sich zur humanitären Krise.
Vorwürfe und Gegenvorwürfe: Wer trägt die Verantwortung?
Die Debatte um Verantwortung eskaliert zwischen Ministerium und Landkreis. Während das Veterinäramt formale Korrektheit betont, zeigen interne Dokumente brisante Widersprüche. Drei Positionen prallen aufeinander.
Die Kritik von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir
Cem Özdemir übt scharfe Kritik: «Blindes Vertrauen in Importeur-Aussagen hat versagt.» Sein Ministerium plant schärfere Kontrollen. Eine Mitteilung vom 28.11. listet konkrete Reformen:
- Verpflichtende GPS-Tracker für Transporter
- Doppelprüfung durch unabhängige Tierärzte
- Haftungsausweitung auf Speditionen
Gegenüber dem ZDF nannte er den Fall einen «Weckruf für ganz Europa».
Die Verteidigung des Landrats Jaschinski
Landrat Christian Jaschinski kontert: «Das BMEL lieferte unklare Handlungsanweisungen.» Sein Landkreis sieht sich als Opfer übergeordneter Strukturen. Interne Mails belegen:
- Personalnot im Veterinäramt (nur 3 Sachbearbeiter)
- Widersprüchliche EU-Vorgaben
- Fehlende Notfallpläne für Grenzblockaden
Seine Forderung: «Ein EU-weites Exportverbot für Lebendtiere.»
Die Anzeigen der Tierschutzorganisationen
Vier Pfoten reichte Strafanzeige (AZ 234 Js 9873/24) beim AG Cottbus ein. Juristen sehen Vorwürfe nach §17 Tierschutzgesetz als begründet an. Parallel ermittelt die Staatsanwaltschaft zu:
- Amtshaftungsansprüchen bis 50.000€
- Verstößen gegen Transportvorschriften
- Möglichem Druck auf Beamte
«Wir werden jede Verantwortungslücke juristisch ausleuchten.»
Ein anonymer Veterinärbeamter bestätigte gegenüber Medien «systematische Überlastung».
Fazit: Konsequenzen und Forderungen für die Zukunft
Der Skandal offenbart systemische Schwächen bei Kontrollen. Ab 2025 gilt die MSGIV-Reform: Meldepflicht für Tiertransporte über acht Stunden. Prof. Brade fordert ein Transportverbot ab Trächtigkeitstag 210.
NGOs wie Vier Pfoten veröffentlichen einen 10-Punkte-Plan. GPS-Pflicht und Live-Monitoring sollen Tierleid verhindern. Landrat Jaschinski spricht von «ethischen Dilemmata».
Die EU prüft eine Taskforce für Drittlandexporte. Der EuGH entscheidet 2025 (Az. C-342/25). Der Fall DE1406717219 bleibt ein Mahnmal – für Politik, Behörden und Verbraucher.