Was macht diesen Club zum streng gehüteten Mythos der Techno-Szene? Seit 20 Jahren fasziniert das Berghain mit seiner einzigartigen Mischung aus rauer Architektur, freizügiger Kultur und der berüchtigten Türpolitik von Sven Marquardt.
Das ehemalige Heizkraftwerk in Friedrichshain ist mehr als ein Club – es ist ein Raum für Freiheit und Tabubrüche. Darkrooms und die berühmte Säule sind legendär, doch nicht jeder darf sie betreten. Hier entscheidet der Türsteher, wer Teil der Nacht wird.
Heute gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen gegen Needle Spiking. Doch die Faszination bleibt: Warum zieht dieser Ort Menschen aus aller Welt an? Tauche ein in die Geschichte und Regeln des Kultclubs.
Einleitung: Der Mythos Berghain
Seit zwei Jahrzehnten prägt dieser Ort die Techno-Szene wie kein anderer. Der französische Soziologe Guillaume Robin nennt es «subkulturelles Kapital» – eine Mischung aus Exklusivität und radikaler Freiheit. Hier zählen nicht Follower, sondern echte Erlebnisse.
Die strikte No-Photo-Policy ist mehr als eine Regel. Sie schützt eine Welt ohne Urteile. Keine Handys, keine Fotos – nur Tanz und Gemeinschaft. Das schafft Vertrauen unter den Gästen.
«Im Berghain verliert man sich, um sich selbst zu finden.»
Die Zahlen sprechen für sich: Bis zu 1.500 Menschen finden hier Platz. Doch nicht jeder darf rein. Die Preise variieren stark:
Veranstaltung | Eintritt (€) | Kapazität |
---|---|---|
Wochenend-Party | 25–35 | 1.500 |
Jubiläums-Events | 45–60 | 1.200 |
Snax-Party | 30–40 | 900 |
Während der Pandemie zeigte die Studio Berlin-Ausstellung 2020, wie Kunst den Club ersetzt. Heute zieht das Publikum nicht nur aus der Stadt, sondern weltweit an. Seit 2004 hat sich die Crowd verändert: Mehr internationale Gäste, aber der Kern bleibt.
Die Geschichte des Berghain: Von Ostgut zum Techno-Tempel
1994 startete eine Partyreihe, die später zum Symbol der Techno-Kultur wurde. Damals ahnte niemand, dass aus dem Reichsbahnbunker ein weltbekannter Club entstehen würde. Heute ist der Ort ein Mythos – doch seine Wurzeln liegen im Underground.
Die Anfänge im Techno-Bunker
Im kalten Beton des Reichsbahnbunkers fand 1994 die erste Snax-Party statt. Ein Raum für die queere Community, geprägt von Darkrooms und freizügiger Atmosphäre. 1998 folgte die Gründung des Ostgut – der Vorläufer des heutigen Clubs.
Die Location war rau, die Regeln locker. Hier trafen sich Männer, die anderswo nicht willkommen waren. Der Bunker wurde zum Safe Space für Tabubrüche und radikale Selbstentfaltung.
Snax-Club und Lab-Oratory: Die schwulen Wurzeln
Die Snax-Partys prägten die DNA des Ostguts. Fetisch, Leder und freie Sexualität gehörten dazu. Alexis Waltz, ein DJ der ersten Stunde, erklärt: «Techno und Schwulenszene waren untrennbar – beide suchten Freiheit.»
- 1994–2003: Monatliche Fetisch-Events im Bunker
- Darkrooms als fester Bestandteil der Clubkultur
- Über 70% der Gäste waren Männer
Umzug ins Heizkraftwerk Friedrichshain
2004 begann ein neues Kapitel: Das leerstehende Heizkraftwerk wurde zum Club umgebaut. Studio Karhard verwandelte das Gebäude in einen Tempel mit 18 Meter hohen Decken. Die Säule in der Mitte wurde zum ikonischen Treffpunkt.
2011 kaufte das Team das Ostgut von Vattenfall. Seitdem zieht der Ort Partygäste aus aller Welt an. Heute arbeiten hier 287 Menschen – und halten den Mythos am Leben.
Das Berghain-Gebäude: Architektur und Räumlichkeiten
Das alte Heizkraftwerk beherbergt heute einen der legendärsten Clubs der Welt. Die 18 Meter hohen Decken und die rohen Betonwände schaffen einen Raum, der Techno und Architektur vereint. Jeder Winkel erzählt eine Geschichte.
Die Tanzfläche und Panorama-Bar
Das Herzstück ist die riesige Tanzfläche mit dem Funktion-One-Sound. Der Klang ist so klar, dass du jedes Bass-Detail spürst. Früher dominierte die 4,8 × 25 Meter große Nathan-Wand – heute prägen wechselnde Kunstwerke den Raum.
Oben in der Panorama-Bar hängen Fotos von Wolfgang Tillmans. Hier spielen House-DJs, während du über die Skyline Berlins blickst. Der Kontrast zwischen Industriecharme und Eleganz ist einzigartig.
Darkrooms und Säule: Verbotene Zonen
Die ikonische Säule war früher ein Darkroom. Seit 2017 ist sie umgebaut, bleibt aber ein mystischer Treffpunkt. Im Nordosten verstecken sich geheime Räume, die nur Eingeweihte kennen.
Die Unisex-Toiletten sind legendär: Keine Schilder, keine Grenzen. Hier zählt das Prinzip der freien Selbstbestimmung.
Das Außengelände: Garten und Kantine
Im Sommer öffnet der Garten mit eigener Tanzfläche. Die Kantine serviert vegane Snacks – eine Oase zwischen Techno und Entspannung. Die historischen Aufzüge aus Kraftwerkszeiten sind noch immer in Betrieb.
Für Frauen gibt es extra Rückzugsorte. Das Gebäude verbindet Freiheit mit Sicherheit – ein Konzept, das weltweit Schule macht.
Musik im Berghain: Resident-DJs und Sound-System
Der Sound im Berghain ist mehr als Musik – er ist eine körperliche Erfahrung. Das Sound-System überträgt Frequenzen von 28 Hz bis 20 kHz, sodass du jeden Bass spürst. Hier wird Techno nicht nur gehört, sondern gelebt.
Techno vs. House: Die Klangwelten
Im Hauptraum dominieren harte Techno-Beats, während die Panorama-Bar House und Minimal spielt. Der Kontrast ist gewollt: Unten treibt dich der Bass an, oben lässt du dich treiben. Beide Floors nutzen das gleiche High-End-Equipment – aber die Stimmung ist völlig anders.
Legendäre Resident-DJs
Marcel Dettmann, Ben Klock und Tama Sumo prägen seit über 15 Jahren die Nächte. Ihre 12-Stunden-Sets sind legendär. «Ein guter DJ baut eine Reise auf – nicht nur einen Track nach dem anderen», sagt Dettmann. Für viele Berliner DJs war das Berghain ein Karrieresprungbrett.
Das Label Ostgut Ton
Von 2005 bis 2021 veröffentlichte das hauseigene Label Events und Alben. 2023 erschien «Live at Berghain» – eine Hommage an den Sound des Clubs. Zusammenarbeiten wie mit dem Staatsballett Berlin zeigen: Die Musik geht über den Dancefloor hinaus.
Die Türpolitik: Wie komme ich ins Berghain?
Die Tür des Clubs ist mehr als ein Eingang – sie ist eine Barriere zwischen zwei Welten. Wer durchkommt, erlebt eine Nacht ohne Regeln. Doch der Einlass bleibt für viele ein Rätsel. Eine Studie der FU Berlin zeigt: Die Auswahl folgt einem 3-Stufen-System.
Sven Marquardt und die Kunst der Selektion
Sven Marquardt ist kein normaler Türsteher. Der ehemalige Fotograf entscheidet seit 20 Jahren, wer rein darf. Seine Crew trainiert in Psychologie – sie lesen Körpersprache, Outfits und Gruppendynamik. «Es geht nicht um Schönheit, sondern um Energie», erklärt Marquardt.
40% der Gäste werden abgewiesen. Die Crew achtet auf Authentizität. Wer zu aufdringlich wirkt, fliegt raus. Selbst Felix da Housecat kritisierte 2015 die Auswahl – doch der Club bleibt hart.
Dresscode und Verhalten in der Schlange
Schwarz ist die sichere Wahl. Vermeide Markenklamotten oder High Heels. Besser: Lederjacken oder sportive Styles. In der Schlange gilt: Kein Augenkontakt, kein lautes Gelache. Tipp Berlin rät: «Sei du selbst – aber nicht zu offensiv.»
- Do: Dunkle Farben, lässige Outfits
- Don’t: Kostüme, Business-Kleidung
- Wartezeit: Bis zu 3 Stunden am Wochenende
Warum Stars wie Britney Spears abgewiesen wurden
Promis haben kaum Chancen. Elon Musk, Britney Spears und Macklemore scheiterten am Einlass. Der Club will keine VIPs – nur echte Partygäste. Neulinge probieren es dienstags: Die Crew ist dann entspannter.
Die Auswahl bleibt subjektiv. Doch sie schützt die Atmosphäre im Club. Wer rein darf, wird Teil eines Experiments – jenseits von Mainstream und Fotos.
Regeln im Club: Was du beachten musst
Freiheit hat Grenzen – auch im bekanntesten Club der Stadt. Damit alle Gäste eine sichere Zeit erleben, gelten klare Vorgaben. Wer dagegen verstößt, fliegt raus – ohne Diskussion.
Strikte No-Photo-Policy
Handys bleiben in der Tasche. Seit 2014 kleben spezielle Linsenabdeckungen auf den Kameras. Warum? «Fotos zerstören die Magie des Moments», erklärt das Sicherheitsteam.
Erwischt dich die Crew beim Fotografieren, musst du gehen. Keine Ausnahmen. Diese Regel schützt deine Privatsphäre und die anderer Menschen.
Drogenkonsum und Sicherheitsmaßnahmen
Nach dem MDMA-Todesfall 2017 wurde das Drug-Checking ausgebaut. Von 22 Uhr bis 6 Uhr testen Experten Substanzen – anonym und kostenlos.
- Erste-Hilfe-Stationen sind rund um die Zeit besetzt
- Verbote: Glasflaschen, scharfe Gegenstände
- Konsequenzen: Hausverbot bei Dealern
Needle Spiking und Awareness-Programme
Seit dem Vorfall mit Alison Lewis 2022 gibt es Schulungen. Das Awareness-Team erkennt Anzeichen von Übergriffen und hilft sofort. Dein Körper, deine Entscheidung – das ist hier Gesetz.
«Sicherheit geht vor Party. Wir schützen euch, damit ihr euch verlieren könnt.»
Vermeide unbekannte Getränke und nutze die Notfallnummern an den Toiletten. Der Club will, dass du sicher nach Hause kommst.
Veranstaltungen und Specials: Mehr als nur Techno
Von Fetisch-Partys bis Kunstausstellungen – hier ist alles möglich. Der Club ist längst kein reiner Techno-Tempel mehr. Du erlebst hier Events, die Grenzen zwischen Musik, Kunst und Subkultur verschwimmen lassen.
Snax-Partys: Schwule Fetisch-Events
Seit 1994 ziehen die Snax-Partys die queere Community an. 2024 feiert das Event sein 30. Jubiläum. Der Dresscode ist klar: Leder oder Latex sind Pflicht. Darkrooms und freizügige Atmosphäre prägen die Nacht.
- Ursprung: Ehemals im Reichsbahnbunker, heute im Hauptclub
- Zielgruppe: Vorwiegend gruppen aus der schwulen Fetisch-Szene
- Tickets: Oft Monate im Voraus ausverkauft
Kunstausstellungen wie Studio Berlin
2020 kooperierte der Club mit der Boros Foundation. Die Ausstellung «Studio Berlin» zeigte Werke von Wolfgang Tillmans und anderen. Selbst die Kantine wurde zur Galerie. «Kunst gehört hier an die Wände – nicht nur an die Tür», sagt ein Kurator.
2022 gewann das Projekt den Kunstpreis Berliner Bär. Tickets gibt es meist nur im Vorverkauf.
Konzerte und Klanginstallationen
Lady Gaga präsentierte 3 Teile ihres Albums «ARTPOP» exklusiv hier. Bands wie Laibach oder Swans nutzen den Raum für experimentelle Auftritte. Ein Highlight: Der elektroakustische Salon, bei dem DJs mit klassischen Instrumenten spielen.
«Die Akustik im Kraftwerk ist ein Traum – jeder Ton wirkt dreidimensional.»
Ob Techno, House oder Avantgarde – der Club bleibt ein Ort für alle clubs. Selbst nach 20 Jahren überrascht er mit neuen Formaten.
Kulturelle Rezeption: Berghain in Medien und Kunst
Kunst und Kultur haben den Mythos des Clubs weit über Berlin hinausgetragen. In Romanen, Songs und bildern wird die Atmosphäre des Ortes eingefangen. Selbst Elon Musk diskutierte 2022 auf Twitter über die Türpolitik – ein Beweis für die globale Strahlkraft.
Literarische Werke: Von «Axolotl Roadkill» bis Fotobände
Helene Hegemanns Roman «Axolotl Roadkill» machte den Club 2010 berühmt. Die Protagonistin erlebt hier Nächte der Selbstfindung. «Die Wände atmen Techno», schreibt sie – ein Zitat, das Kultstatus erreichte.
Sven Marquardt, der Türsteher, veröffentlichte 2017 den Fotoband «13 Monde». Seine bilder zeigen das rawes Leben hinter den Mauern. Experten sehen darin eine art des urbanen Tagebuchs.
Musik: Hommagen von K.I.Z bis Tillmans
Die Band K.I.Z. verewigte den Club im Song «Berghainschlange». «Ich wart› seit stunden, doch Sven lässt mich nicht rein» – eine humorvolle Kritik an der Türpolitik. Auch Von Wegen Lisbeth bezog sich in Texten auf den Ort.
Wolfgang Tillmans gestaltete die Panorama-Bar mit seiner Fotoserie. Seine Werke hängen zwischen DJ-Pult und Tanzfläche – Kunst im Moment.
Medien: Dokumentationen und Serien
Über 500 internationale Berichte beschäftigten sich mit dem Phänomen. Die Doku «Berlin Bouncer» porträtiert Marquardt und zeigt, wie der name zum Symbol wurde. Selbst Netflix-Serien wie «Dark» nahmen Anleihen an der Ästhetik.
Medium | Beispiel | Jahr |
---|---|---|
Literatur | «Axolotl Roadkill» | 2010 |
Musik | K.I.Z – «Berghainschlange» | 2015 |
Film | «Berlin Bouncer» | 2018 |
Ob Buch, Song oder Bild – der Club inspiriert seit zwei Jahrzehnten. Seine Geschichte wird nicht nur getanzt, sondern auch erzählt.
Fazit: Warum das Berghain einzigartig bleibt
Dieser Club ist mehr als ein Partyort – er ist ein Lebensgefühl. Die rohe Architektur schafft einen Platz, an dem du dich verlieren und neu finden kannst. Keine andere Location in der Stadt bietet diese Mischung aus Freiheit und Sicherheit.
Die Zukunft steht vor Herausforderungen: Wie bleibt man authentisch, wenn jeder rein will? Doch die strikten Regeln schützen die Magie. Das Berghain zeigt, wie Clubs Verantwortung übernehmen – mit Drug-Checking und Awareness-Teams.
Guillaume Robin sagt: «Hier wird Subkultur gelebt, nicht vermarktet.» Das macht den Ort unersetzlich. In 30 Jahren könnte die 50-Jahr-Feier stehen – aber der Geist bleibt.